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5 min Lesezeit

Barrierefreiheit prüfen: So auditierst du dein Produkt richtig

Amela
Amela
QA Engineer

In der schnelllebigen digitalen Welt wird eines immer deutlicher: Barrierefreiheit ist kein optionales Extra mehr. Sie ist kein bloßer Design-Trend oder Akt der Inklusivität – mit Inkrafttreten der EAA im Juni wird sie zur rechtlichen und geschäftlichen Pflicht.

Trotz wachsender Sensibilität investieren viele Teams noch zu wenig Zeit in dieses Thema. Historisch wurde Barrierefreiheit oft als „Zusatz“ behandelt – etwas, das man erledigt, nachdem die Kernfunktionen stehen. Gerade bei bestehenden Produkten, die schon länger live sind, kann der Einstieg überwältigend wirken.

Wenn du dich hier wiedererkennst, lies weiter. Dieser Artikel zeigt, was ein Barrierefreiheits-Audit ist, warum es wichtig ist, wie du es durchführst und wie du die Ergebnisse in konkrete Maßnahmen umsetzt.

Wo anfangen, wenn dein Produkt nicht barrierefrei ist?

Angenommen, deine App ist seit 2019 auf dem Markt und läuft gut. Damals wurden bei der Entwicklung nicht alle Barrierefreiheitsrichtlinien berücksichtigt – was nun?

Hier kommt das Barrierefreiheits-Audit ins Spiel. Ein Audit ist eine strukturierte Überprüfung deines Produkts: Es bewertet, wie gut dein Produkt bestehenden Standards entspricht und ob Nutzende mit Behinderungen oder assistiven Technologien die App effektiv verwenden können.

Ziel ist nicht nur, Probleme zu erkennen, sondern zu verstehen, wie sie echte Nutzende betreffen und wie sie behoben werden können. Das Ergebnis ist meist eine Liste mit Prioritäten – eine Art Blaupause, die deinem Team hilft, Entscheidungen zu treffen: Soll ein kompletter Umbau erfolgen? Werden Verbesserungen Schritt für Schritt umgesetzt? Oder werden zunächst nur besonders kritische Punkte behoben?

Denke an das Audit wie an einen medizinischen Check-up für deine App: Es zeigt, ob Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten oder Geräten die App wie vorgesehen nutzen können.

Mit der EAA ist der Druck gestiegen, Barrierefreiheit ernsthaft anzugehen. Die gute Nachricht: Für bestehende Produkte gibt es eine fünfjährige Übergangsfrist, um volle Compliance zu erreichen. Neue Features oder größere Updates müssen allerdings sofort barrierefrei sein.

Was beinhaltet ein Barrierefreiheits-Audit?

Ein Audit beginnt meist mit der Festlegung des Umfangs: Soll die gesamte App überprüft werden, nur eine Plattform oder bestimmte Bereiche?

Automatisierte Tests bilden oft den ersten Schritt. Tools wie A11YPLAN, axe DevTools oder Stark helfen, gängige Probleme schnell zu erkennen. Wichtig: Diese Tools werden teamübergreifend genutzt. QA-Teams bringen die Perspektive der Nutzung ein, Design-Teams prüfen visuelle und UX-Aspekte, das Entwicklungsteam kümmert sich um Code und Struktur.

Automatisierte Tests liefern wertvolle Hinweise, können aber nicht alles abdecken. Hier setzt manuelles Testen an:

  • Schriftgrößen anpassen, um die Reaktionsfähigkeit der App zu prüfen
  • Nutzung von Screenreadern (VoiceOver für Apple, TalkBack für Android)
  • Tastatur-Navigation und interaktive Elemente testen
  • Farbkontraste, Typografie und Interface-Reaktionsfähigkeit prüfen

Jedes gefundene Problem wird dokumentiert, kategorisiert und den WCAG-Standards zugeordnet. Am Ende erhält das Unternehmen einen detaillierten Bericht mit Problemen, deren Auswirkungen und Empfehlungen. Direkte Änderungen am Code oder Design sind nicht Teil des Audits, aber die vorgeschlagenen Maßnahmen dienen als Basis für die Umsetzung.

Barrierefreiheit nachträglich implementieren: die Realität

Bei bestehenden Produkten erschweren technische Altlasten, veraltete Frameworks und schnelle Designentscheidungen die Umsetzung. Ein scheinbar einfacher Fix kann komplexere Probleme aufdecken – von nicht-semantischem Code bis zu inkompatiblen Bibliotheken.

Mit dem richtigen Ansatz lassen sich viele Probleme Schritt für Schritt lösen:

  • Fehlende Alt-Texte ergänzen
  • Tastatur-Navigation sicherstellen
  • Überschriftenstruktur korrigieren
  • Kontraste verbessern
  • Screenreader-Unterstützung optimieren

Bei stark angepassten oder veralteten Systemen kann ein Redesign oder Refactoring die nachhaltigere Lösung sein. So wird Barrierefreiheit von Anfang an integriert, und Design, Architektur und Tests entsprechen sofort den Best Practices.

Barrierefreiheit in den Workflow integrieren

Barrierefreiheit sollte kein Checklistenpunkt, sondern Teil des Prozesses sein – egal ob bei bestehenden oder neuen Produkten:

  • Automatisierte Checks in CI/CD-Pipelines integrieren
  • Teamübergreifende Verantwortung schaffen
  • Schulungen, Tools und Zeit investieren

Der langfristige Nutzen: weniger Bugs, zufriedenere Nutzende, bessere UX und rechtliche Compliance.

Berichte sollten klar, prägnant und verständlich sein. Auch technische Probleme sollten in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Nutzenden erklärt werden. So verstehen Teams aus Design, Entwicklung und Management, warum etwas wichtig ist und welche Priorität die Behebung hat.

Nach dem Audit: der nächste Schritt

Nach dem Audit hast du eine Roadmap, um Verbesserungen umzusetzen und Barrierefreiheit langfristig zu sichern.

  • Das Design-Team passt Farbpaletten, Abstände und Komponenten an
  • Das Entwicklungsteam implementiert Änderungen und testet neue Interaktionen
  • QA prüft die Änderungen erneut mit den gleichen Assistenztechnologien

Regelmäßige Audits: einmal pro Jahr als Basis, zusätzlich vor größeren Releases oder Designanpassungen.

Wenn du gerade erst beginnst: Starte klein.

  • Führe einen Scan durch
  • Teste einen einzelnen Ablauf
  • Nutze Tastatur oder Screenreader

So siehst du schnell Lücken und Chancen. Bei laufenden Projekten gilt: sofort anfangen, auch mit kleinen Verbesserungen. Integriere Barrierefreiheit in jeden Schritt des Produktlebenszyklus – sie ist kein Extra, sondern Standard.

Bereit für den nächsten (notwendigen) Schritt?

Ein Barrierefreiheits-Audit kann zunächst überwältigend wirken, ist aber machbar und lohnenswert – für deine Nutzenden, dein Team und dein Unternehmen. Der wirkliche Wandel beginnt, wenn Barrierefreiheit kein nachträglicher Fix mehr ist, sondern Teil des Fundaments deiner Produkte. Das Audit ist nur der erste Schritt auf diesem Weg.

Barrierefreiheit beginnt mit dem ersten Schritt. Wir unterstützen dich bei den nächsten Schritten. Kontaktiere uns.

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Autor:in

Amela ist Quality Assurance Engineer bei COBE. Wenn sie keine Bugs entdeckt, lernt sie gerne neue Sprachen oder widmet sich kreativen DIY-Projekten.

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