The Invisible Storefront: KI frisst die Customer Journey



Noch vor wenigen Jahren war Online-Shopping einfach, man klickte sich durch Websites, scrollte durch Produktbilder, las Bewertungen, legte Artikel in den Warenkorb, bezahlte – fertig. Heute reicht es oft schon eine Frage online zu stellen: „Welche Laufschuhe entlasten meine Knie auf unebenem Gelände?“
Willkommen im Jahr 2025. Man googelt nicht mehr, fragt keinen Kundenservice und spricht nicht mit einer Verkäuferin am Counter, sondern man fragt eine KI. Und plötzlich entscheidet keine Website mehr, sondern eine KI. Sie vergleicht, bewertet, empfiehlt und kann sogar den Kauf abschließen. Das bedeutet, Kunden besuchen keine Landingpage, sehen keine Banner und begegnen deiner Marke nicht auf bekannte Weise. Und genau hier beginnt die eigentliche Herausforderung: Dein Storefront existiert weiterhin, ist jetzt aber unsichtbar und existiert nur noch für Maschinen.
Schauen wir uns die Welt des KI-gesteuerten Shoppings einmal genauer an.

Jahrelang war klar, wer in Suchmaschinen oben rankt, gewinnt Klicks, Sichtbarkeit, Verkäufe und Umsatz. Doch dieser Mechanismus bricht gerade weg. Heute liefern Tools wie Perplexity AI, Google Search Generative Experience (SGE) und ChatGPT Voice direkte Empfehlungen statt langer Linklisten. Wird deine Marke von diesen KIs nicht erwähnt, existierst du für viele Kunden faktisch nicht. Die Customer Journey beginnt heute nicht mehr auf deiner Homepage, sondern mit einer Frage an die KI, wie ein Flüstern zu Alexa, ein müdes „Hey Siri…“ oder ein schnelles „ChatGPT, bestell mir ein Ben & Jerry’s.“
Wir haben die Zukunft immer mit fliegenden Autos vorgestellt. Naja fast, sie bringt einen Store für Roboter. Das heißt, Sichtbarkeit allein reicht nicht mehr. Dein Store muss für Maschinen lesbar sein. SEO mag früher entscheidend gewesen sein, jetzt regiert AEO, Answer Engine Optimization.
Das verändert alles, auch deine Zielgruppe, denn deine Marke muss heute sowohl Menschen als auch Maschinen überzeugen. Design für KI-Agenten bedeutet Design für Verständnis, nicht für Optik. Maschinen sehen keine Farben, spüren keinen Tonfall und messen keine Scrolltiefe. Sie interpretieren semantische Muster, Struktur und Vertrauenssignale. Interfaces müssen für Menschen gut aussehen, aber auch für Maschinen lesbar sein.
Interfaces, die für KI gestaltet sind, benötigen einen anderen Ansatz als traditionelle Storefronts. Früher haben Designer Branding-Richtlinien umgesetzt und gut war’s. Heute müssen sie sich anpassen und in Echtzeit reagieren. Sie gestalten nicht nur Klickpfade, sondern Umgebungen, in denen sich Nutzer verstanden und begleitet fühlen. Interfaces passen sich heute dynamisch an, ändern Layout, Farben, Tonfall und Inhalte je nach Stimmung, Kontext und Tageszeit. In diesem Sinne kann man sagen, dass sie keine passiven Oberflächen mehr sind.
Maschinen hingegen sehen keine Farben, spüren keinen Tonfall und verfolgen keine Scrolltiefe. Sie interpretieren semantische Muster, Struktur und Vertrauenssignale. Beim Design für Maschinen müssen Interfaces es ermöglichen, dass Agenten deine Marke korrekt interpretieren und empfehlen. UX wird dabei zu einer Art Verhaltensarchitektur – für Menschen und Maschinen zugleich und verlangt, dass Designer Mensch-KI-Kommunikation verstehen, kontextbewusste Erlebnisse gestalten und den Fokus auf Dialog statt auf klassische Navigation legen.

Ein Storefront braucht einige Schlüsselkompetenzen, um für KI sichtbar zu sein. Dazu gehört Prompt-Literacy, also zu verstehen, wie Menschen tatsächlich mit KI sprechen und wie ihre Intentionen in Prompts sichtbar werden. Kontext hilft der KI, Aktionen und Entscheidungen zu verstehen, während wichtige Informationen leicht auffindbar sein sollten, damit die KI schnell relevante Details erkennt. Selbst kleine Elemente wie Produkttitel oder Beschreibungen signalisieren Relevanz und Zuverlässigkeit und ermöglichen es der KI, Empfehlungen sicher auszusprechen und im Auftrag der Nutzer zu handeln.
Das Erlebnis selbst sollte adaptiv sein, sich an verschiedene Kontexte anpassen, anstatt statisch zu bleiben. Dazu kommt konversationelles Design, bei dem Nutzer über natürliche Dialoge navigieren, statt über klassische Menüs. Schließlich benötigt die Marke eine maschinenlesbare Struktur, damit KI-Agenten sie erkennen, korrekt interpretieren und sicher empfehlen können. Das bedeutet verständlich, emotional, semantisch und technisch kohärent – auch wenn sie auf den ersten Blick unsichtbar ist. Marken, die nicht in maschinenlesbare Identität investieren, verlieren den Kundenzugang. Bei COBE nennen wir dies das Design Tightrope, die Balance zwischen Anpassungsfähigkeit und Wiedererkennbarkeit. Interfaces müssen sich anpassen, ohne die Identität zu verlieren.
Durch die konsequente Anwendung von Markenprinzipien, wie wir es bei der Umsetzung unserer UXi-Methode tun, bleibt eine Marke erkennbar, selbst wenn KI-Tools die Interaktionen steuern. UXi sorgt dafür, dass deine Marke klar kommuniziert, Vertrauen aufbaut und emotional anspricht, selbst in einer unsichtbaren, von KI vermittelten Customer Experience.
Wenn KI deine Storefront übernimmt, bleibt für Marken eine zentrale Frage: Wo entsteht dann noch Markenerlebnis? Die gute Nachricht ist, die Journey endet nicht, nachdem der Kunde etwas gekauft hat.
Auch wenn die KI die erste Wahl trifft, können Marken weiterhin zahlreiche Touchpoints gestalten, um präsent zu bleiben. Das beginnt beim besonderen Unboxing, geht über die App User Experience bis hin zu kleinen Momenten wie dem typischen „Hoffentlich kommt das mit einem Ladegerät“. Manche Marken gestalten bewusst solche „zweiten ersten Eindrücke“, hier zeigt Hyperpersonalisierung ihre Stärke.
Traditionelle demografische Kategorien wie „männlich, 30–40“ spielen in dieser neuen Ära kaum noch eine Rolle. Personalisierung bedeutet, echte Verhaltensmuster zu verstehen: „Trinkt um 9:15 Uhr einen Latte, bevorzugt Hafermilch, probiert gern Neues.“ Starbucks ist ein gutes Beispiel dafür. Ihre KI analysiert Kaufverhalten und passt Angebote für tausende Mikrosegmente an, wodurch jeder Kunde zum eigenen Mikro-Markt wird. Treue Kunden erhalten Rabatte und Early Previews, Baristas sehen sofort Präferenzen, was Interaktionen menschlich und persönlich macht.
Hyperpersonalisierung ist kein Nice-to-have, sondern wird erwartet. Laut Twilio erwarten 62 % der Verbraucher Personalisierung und würden ihre Loyalität verlieren, wenn sie fehlt. PwC berichtet, dass 49 % eher zu Stammkunden werden, wenn Angebote personalisiert sind. Loyalität entsteht durch wiederholte Erlebnisse, nicht durch den ersten Eindruck. Es geht nicht um Werbung, sondern um Erfahrungen, die als gut investierte Zeit wahrgenommen werden. In der AI-Ära ist Hyperpersonalisierung der Weg, um herauszustechen.

In einer Welt, in der KI eure Marke vor den Kunden sieht, existiert dein Storefront noch, aber die Customer Journey hat sich verändert. User Experience muss für Menschen und digitale Assistenten gestaltet werden, unter Berücksichtigung ihrer Arbeitsabläufe. Zunächst nimmt die KI nur den Teil der Customer Journey bis zum Kauf wahr, wodurch die Gestaltung der Post-Purchase-Erlebnisse besonders wichtig wird, idealerweise hyperpersonalisiert und so, dass sie vom Nutzer als „gut investierte Zeit“ erlebt werden.
Stell dir vor, eine KI betrachtet deine Marke nur fünf Sekunden. Versteht sie sofort, wer du bist? Hat sie das Gefühl, deiner Marke vertrauen zu können? Ist der Eindruck stark genug für eine Empfehlung?
Damit Marken in dieser neuen Welt nicht nur reagieren, sondern gestalten und bestehen bleiben können, braucht es das Bewusstsein für die Dringlichkeit. Nicht „irgendwann“, sondern jetzt. Das gelingt, wenn klar wird, was auf dem Spiel steht: Sichtbarkeit, Vertrauen, Relevanz. Wer heute nicht in maschinenlesbare Markenidentität investiert, verliert morgen den Zugang zu Kunden. Dringlichkeit entsteht nicht durch Druck, sondern durch Sinn und zu zeigen, wohin die Reise geht und warum es sich lohnt, mitzugehen.
Es wird spannend sein zu beobachten, wie Agenten, die deine Präferenzen kennen, potenzielle Suchergebnisse vorfiltern und welche Auswirkungen das letztlich auf Nutzer hat.
Ich habe dieses Thema als Keynote auf der Shift/CX-Konferenz in München vorgestellt. Melde dich gerne, wenn du das Thema vertiefen möchtest!
Felix ist CEO und Mitgründer von COBE und hat immer neue Ideen parat, die die (digitale) Welt schöner machen.




